Veröffentlicht am: 23. November 2023
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Ansicht von Haus Esters mit der Skulptur „Cross Section of a Toothbrush with Paste in a Cup on a Sink: Portrait of Coosjes Thinking” von Claes Oldenburg. Foto: Stadtarchiv
Teil 51: 1928-30 die Häuser Lange und Esters entstehen
Sie zählen zu Krefelds interessantesten und schönsten Bauwerken. Mit den Häusern Lange und Esters auf der Wilhelmshofallee hat der weltberühmte Architekt Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) hier seine Spuren hinterlassen. Die beiden nebeneinander gelegenen Villen für die Direktoren der Vereinigten Seidenwebereien (Verseidag) Hermann Lange und Josef Esters entstanden in den Jahren 1928 bis 1930.
Ein kunstsinniger Bauherr und ein avantgardistischer Architekt
Die Initiative für dieses Projekt ging von Hermann Lange aus, der nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann, sondern auch ein begeisterter Sammler moderner Kunst war. Die Idee, einen damals noch wenig bekannten, aber avantgardistischen Architekten mit dem Bau seines Privathauses zu beauftragen, lag nahe. Vermutlich sind sich die beiden in Berlin begegnet. In Josef Esters fand Hermann Lange einen Verbündeten. Beide Familien hatten bereits Anfang der 1920er Jahre zwei benachbarte Grundstücke auf der Wilhelmshofallee erworben. Ein berühmt gewordenes Foto zeigt den Architekten, wie er an den Plänen für Haus Esters zeichnet.
Eine Mittlerstellung im Werk von Mies
Die Häuser sind Anfang 1930 bezugsfertig. Zwei Jahre später wird Haus Lange gemeinsam mit zwei weiteren Werken Mies van der Rohes, nämlich dem Barcelona-Pavillon und dem Haus Tugendhat, für die Präsentation einer Architekturausstellung im „Museum of Modern Art” in New York ausgewählt. Im Vergleich zu den beiden legendären Bauten, die dem Architekten zum Durchbruch verhalfen, gelten die Villen als konservativer und wurden daher lange von der Forschung eher stiefmütterlicher behandelt. Heute räumt man ihnen eine Mittlerstellung im Werk von Mies ein.
Ein einmaliges Ensemble mit vielen Gemeinsamkeiten
Allein das Ensemble der beiden nebeneinander gelegenen Bauten, die so vieles gemeinsam haben, die aber auch einiges voneinander unterscheidet, ist einmalig. Was Baumaterialien, Grundrisse und Wandgliederungen betrifft, ähneln sie sich sehr. Auch viele Ausstattungsdetails stimmen überein. Bemerkenswert ist die Situation, in der man sich ihnen von der Straße nähert. Die Vorfahrt führt jeweils nicht frontal, sondern, auch für Autos berechnet, in einem Bogen auf den Eingang zu. Auch liegen die Häuser etwas erhöht, so dass die schräge und leicht ansteigende Perspektive, mit der man sich nähert, schon für einen besonderen Eindruck sorgen. Die nur vorgeblendeten Backsteinfassaden täuschen eine Massivität vor. Die vor allem bei Haus Esters auffallend strenge Architektur der Straßenseite wandelt sich auf der Gartenseite in einen abwechslungsreich gegliederten Baukörper. Hier stellen große Fenster, die bei Haus Lange teilweise sogar komplett versenkbar sind, eine Verbindung zwischen innen und außen her. Die Räume sind in beiden Häusern um eine zentrale Halle gruppiert. Da heute sämtliche Türen entfernt sind, kann man das wunderbar komponierte Gefüge der Durchblicke intensiv erleben.
Aus den Wohnhäusern werden Orte für die Kunst
Eleganz, Rhythmus und Klarheit zeichnen diese Bauten aus, denen man anmerkt, dass sie von Anfang an auch Orte für die Kunst gewesen sind. Vor allem im Haus Lange waren Kunstwerke ein wesentlicher Bestandteil der Einrichtung. Doch noch in den 1930er Jahren zieht Hermann Lange nach Berlin. Sein Sohn Ulrich, für den Mies van der Rohe noch 1935 ein Haus entworfen hat, was nie realisiert wurde, bietet 1954 Paul Wember, dem damaligen Direktor des Kaiser Wilhelm Museums, das Gebäude mietfrei für Ausstellungen an. 1966 schenkt er es der Stadt. Zehn Jahre später bieten auch die Erben der Familie Esters ihr Haus der Stadt an. Nach einer Restaurierung finden hier ab 1981 Ausstellungen statt.
Experimentierfelder für die Kunst
Die beiden Villen, selbst Beispiele moderner Architektur, werden jetzt zu Experimentierfeldern für die zeitgenössische Kunst. Gemeinsam mit dem Kaiser Wilhelm Museum bilden sie die Krefelder Kunstmuseen. Viele berühmte Künstlerinnen und Künstler haben bis heute hier ausgestellt. Zu ihnen zählen Yves Klein, Christo, Gerhard Richter, Richard Serra, Kiki Smith und viele andere. Sie haben hier in intensiver und nicht immer leichter Auseinandersetzung mit der Architektur ihre Werke präsentiert. Trotz der großen Herausforderung überwiegt dabei die Begeisterung. So betont Andreas Gursky, der 1989 im Haus Lange seine erste museale Einzelausstellung realisieren konnte, dass „die beiden Häuser eine optimale Balance zwischen der Autonomie der Kunstwerke, wohltuenden Ausblicken ins Freie und spannungsreichen räumlichen Bezügen bieten” würden. Noch knapper bringt es die walisische Künstlerin Bethan Huws auf den Punkt: „Hier kannst du nichts fühlen, es ist ein Ort der denkt.”
Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. am 1. Oktober 1373 in Prag wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.